Archive for the ‘Allgemeines’ Category

Was uns (noch) bewegt

Freitag, April 8th, 2005

Man neigt ja leicht dazu, im Ausland ständig alles ? unfreiwillig ? mit daheim vergleichen zu müssen. Besonders auffällig ist hier in Neuseeland die völlige Abhängigkeit vom Auto. Öffentlicher Nahverkehr und das Bahnsystem sind völlig unterentwickelt. Außerdem liebt der Kiwi alles was einen Motor hat und brettert in seiner Freizeit damit durch die Landschaft: Offroadfahrzeuge aller Art, Jetskis, Motorboote, Motorräder? Nun darf ich das gar nicht kritisieren, denn auch mein Bus fährt ja leider nicht vom Sonnenschein, auch nicht all die von mir benutzten Boote, Fähren, der Hubschrauber? Realistisch betrachtet steh ich mit meiner Um-die-Welt-Fliegerei im ökologischen Ranking sogar ziemlich weit unten, da macht das ganze zur-Arbeit-radeln gar nichts wieder gut.

Diese Einsicht und die Beobachtung der scheinbar sorglosen Neuseeländer hat mich dazu gebracht, mich stärker als bisher mit Energieerzeugung und deren Zukunft zu beschäftigen. Meine persönliche Überzeugung nach dem Studium von Fachzeitschriften, Internet und ein paar interessanten Gesprächen ist, dass sich unser sorgenfreies, energieverschwendendes Leben recht bald ändern wird. Grund dafür ist, dass die Nachfrage nach Öl ? unserem weitaus wichtigsten Energielieferanten ? das Angebot übersteigen wird. Warum das kein Politiker wahr haben will, ist klar: gebremster Konsum ist die größte Katastrophe, die sie sich vorstellen können. Man schaue nur beispielsweise, welche Angst unser Auto-Kanzler vor einem vergleichsweise lächerlichen (und trotzdem nutzlosen) Schritt wie Sonntagsfahrverboten zur Einhaltung der Feinstaubrichtlinie hat. Wer sich auch ein Bild von der Lage, wie sie Experten in Fachzeitschriften einschätzen, machen möchte, dem schick ich gern ein paar beunruhigende Artikel zu.

Die Sache mit der Arbeit

Mittwoch, März 23rd, 2005

Nun isses soweit: Im Folgenden berichte ich von alltäglicher, wenig amüsanter Arbeit. (Bei Nichtinteresse an diesem Thema bitte zum nächsten Beitrag blättern.) Ich muss dazu etwas ausholen: Seit Ende meines Studiums beschäftige ich mich mit dem Geschiebetransport in Flüssen, also mit der Bewegung von Kies und Sand auf der Gewässersohle infolge des Strömungsangriffes. Warum, mag man sich da fragen. Tja, zum einen natürlich, weil ich dafür bezahlt werde. Zum anderen, weil der Geschiebetransport einen wichtige Größe bei nahezu allen Vorgängen im Zusammenhang mit Flüssen darstellt. Bei genauerer Betrachtung ist ein Großteil der Erdoberfläche durch den Geschiebetransport geformt worden (in Form von Erosion und Ablagerung) und wird immer noch geformt. Soweit dazu.

Nun bin ich nicht ganz allein auf dem Gebiet, sondern es beschäftigen sich auf der Welt doch einige Hundert Ingenieure, Geologen etc. damit. Schön wäre es, dachte ich nach drei Jahren in München, doch mal zu schaun, was die Anderen machen, wie sie es machen und ob man da nicht was lernen kann. Also habe ich meine Kontakte nach Auckland (warum nicht Auckland?) intensiviert, ein Gemeinschaftsprojekt entworfen und mich beim DAAD (Deutscher akademischer Austauschdienst) um ein Kurzzeit-Stipendium beworben (erfolgreich). Konkret bin ich, wie schon seit Beginn meiner Arbeit, dem Ausbreitungsverhalten von erwähntem Geschiebe auf der Spur, speziell der Transportgeschwindigkeit und Dispersion dessen.

Die Versuche, die ich nun hier im Labor der Auckland University durchführe, beruhen auf der Markierung eines Teils des Geschiebes mit lumineszierender Farbe, welche unter UV-Licht wunderbar leuchtet. Das Geschiebe wird in einem Laborgerinne – einem künstlichen, verkleinerten, idealisierten Fluss – von einer ebenso künstlich erzeugten Strömung transportiert. Aufgrund der leuchtenden Beschichtung meiner gefärbten Sandkörner lassen sich diese nun sehr gut beobachten und Filmen bzw. Fotografieren. Die Beobachtung dieser ?Tracer? ermöglicht wiederum Aussagen über das Transportverhalten des gesamten Geschiebes.


Ausschnitt der Labor-Gewässersohle, senkrecht von oben fotografiert. Die Bearbeitungsschritte von links nach rechts zeigen, wie man mittels Bildverarbeitung die Tracer extrahieren kann. Die erzeugten Binärbilder lassen sich in Hinblick auf die zeitliche und räumliche Verteilung der Tracer analysieren.

Bleibt die Frage: Hätte man das nicht auch in Deutschland machen können? Sicher, hätte man. Gerade die fremde Umgebung liefert jedoch wertvolle, neue Denkanstöße. Man schaut beinahe wie von außen auf die eigene Arbeit. Überaus förderlich ist es auch, die eigene Arbeit kommunizieren zu müssen, zumal in einer anderen Sprache.

Nun ja, es wird mir wohl nicht vergönnt sein, den Geschiebetransport endgültig und umfassend zu beschreiben. Das haben auch viele Andere vor mir nicht geschafft. Jedoch kann ich jetzt schon sagen, dass mich persönlich die Zeit hier weiterbringt. Neben der fachlichen Komponente ermöglicht mir die Abwesenheit von Routine und Pflichten, meinen Blick auch mal wieder auf andere, mich interessierende Themen zu lenken. Nein, ich meine nicht das Freizeitverhalten neuseeländischer Bauingenieurs-Studenten, sondern durchaus auch Themen gesellschaftlicher Relevanz. Dazu aber demnächst etwas mehr, sonst wird das hier zu lang. Ließt überhaupt noch jemand bis hierher??